Eingeschleifte Rohrleitungen: Sinn oder Unsinn?

Eingeschleifte Rohrleitungen

Bei eingeschleiften Rohrleitungen der Wasserversorgung sind die Entnahmestellen praktisch in Reihe geschaltet. Das nebenstehende Bild stammt aus der Broschüre „Wassergüte“ der Viega Holding GmbH & Co. KG aus Attendorn. Es zeigt symbolhaft eine Installation mit einer eingeschleiften Rohrleitung. Das heißt, dass es nicht nur eine Stichleitung zu den einzelnen Zapfstellen gibt. Es gibt darüber hinaus eine „Rückführleitung“, ähnlich einer Warmwasser-Zirkulation oder einer Heizungswasser-Installation.

Stagnation soll verhindert werden

Eingeschleifte Rohrleitungen sollen dazu führen, dass allzu lange Stagnationszeiten in den Einzelleitungen zu selten genutzten Entnahmestellen wie Außenzapfstellen oder Nachfüllstellen für Heizungsanlagen vermieden werden. Bei eingeschleiften Rohrleitungen bewegt sich das Wasser in den Leitungen aber zumindest immer dann, wenn häufiger benutzte Zapfstellen geöffnet werden.

Gedacht als Maßnahme zur Trinkwasserhygiene

Eingeschleifte Rohrleitungen sollen u.a. einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Trinkwasserhygiene liefern. Insbesondere soll das Wachstum von Legionellen verhindert oder zu mindestens beschränkt werden. Legionellen sind Bakterien, die humanpathogen sind, das heißt, dass sie Krankheiten beim Menschen auszulösen vermögen.

Legionellen sind das Problem

Legionellen vermehren sich insbesondere in stagnierendem und sich erwärmendem Kaltwasser. Die optimalen Lebensbedingungen für Legionellen herrschen bei Temperaturen zwischen 25 und 50 °C. In diesem Temperaturfenster sind Legionellen lebens- und zugleich vermehrungsfähig. Zwischen 50 °C und 55 °C sind Legionellen dann zwar lebensfähig, vermehren sich aber nicht mehr. Ab einer Temperatur von 55 °C kommt es dann zur Abtötung der Legionellen.

Es den Legionellen ungemütlich machen

So soll Kaltwasser immer eine Temperatur von weniger als 25 °C haben und Warmwasser immer eine von mehr als 55 bzw. 60 °C (hierzu gibt es unterschiedliche Vorgaben). Insbesondere bei Kaltwasser kann die o.a. Forderung aber nicht immer erfüllt werden, wenn das Wasser zum Beispiel zu lange in den Leitungen steht, also stagniert, und sich hierbei mit der Zeit aufwärmt. Dann kann es bei hohen Außentemperaturen dazu kommen, dass das (Kalt)Wasser zu warm wird. Andererseits kann sich Warmwasser durch Stagnation abkühlen. Es können dabei Temperaturbereiche erreicht werden, in denen Legionellen wieder lebens- und vermehrungsfähig sind. Durch eingeschleifte Leitungen erhofft man sich, länger andauernde Stagnationsperioden zu verkürzen und (bei Kaltwasser) den erwärmten Leitungsinhalt, der womöglich die Lebensbedingungen für die Legionellen fördert (siehe oben), öfter gegen kaltes Frischwasser auszutauschen.

Was sagen die allgemein anerkannten Regeln der Technik?

Unter den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ sind laut des BVerwG (Beschluss vom 30.09.1996, 4 B 175/96, BauR 1997, 290-291) diejenigen Prinzipien und Lösungen zu verstehen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben. Zudem muss eine technische Regel in der Wissenschaft als theoretisch richtig gelten. Es ist damit also stets eine Anerkennung in Theorie und Praxis erforderlich (siehe Leuschner, M.: Was sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik?, Der Bausachverständige 4/2019, 54-56).

Keine Anerkennung in der Praxis

Nimmt man die o.a. Definition her, so fällt es schwer, das Durchschleifen von Trinkwasserleitungen in Form einer technischen Installation als eine allgemein anerkannte Regel der Technik zu sehen. Es findet sich hierüber zwar die eine oder andere Fundstelle in der Fachliteratur , doch darüber, dass sich das Einschleifen von Rohrleitungen als technische Lösung am Markt durchgesetzt hätte, kann nicht die Rede sein. Die Anerkennung in der Praxis (siehe oben) ist damit nicht gegeben.

Was sagen die Normen und Regelwerke?

Auch in den Normen und in den Regelwerken der Fachverbände findet sich kein Wort zum Einschleifen von Rohrleitungen. Es steht zwar in der DIN EN 806-2 („Technische Regeln für Trinkwasser­-Installationen – Teil 2: Planung“) geschrieben, dass eine „Trinkwasser-Installation … so zu planen (ist), dass … stagnierendes Wasser vermieden“ wird. Des Weiteren heißt es in der DIN EN 806-2, dass „Entnahmestellen für geringe Entnahmen oder seltene Benutzung … nicht am Ende einer langen Leitung eingebaut werden (dürfen)“. Was in diesem Zusammenhang „lang“ bedeutet, wird allerdings nicht näher ausgeführt.
In der DIN EN 806-4 („Technische Regeln für Trinkwasser-­Installationen – Teil 2: Installation“) heißt es dann noch, dass „Rohrleitungen … so anzuordnen (sind), dass die Stagnation verringert wird“. Schließlich steht in der DIN 1988-200 („Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW“), dass „Umgehungsleitungen, die zu Stagnation führen, unzulässig (sind)“.

Die Normen und Regelwerke sind zu unpräzise

Letztendlich sind die Ausführungen in den o.a. Normen zu unpräzise, als dass man hieraus ableiten könnte, dass man Leitungen stets einschleifen sollte. Denn allein zum Beispiel die Formulierung, dass „stagnierendes Wasser vermieden“ werden soll, zeigt die ganze Ungenauigkeit. Denn es kommt im Grunde genommen fortwährend zu Stagnationen, denn Zapfstellen werden – auch in Haushaltungen – relativ selten genutzt. Den allergrößten Teil des Tages ruht das Wasser in den Leitungen. Auch in eingeschleiften Rohrleitungen stagniert das Wasser die allermeiste Zeit.

Problematisch soll es nach vier Stunden Stagnation werden

Folgt man einer Empfehlung des Umweltbundesamtes („Trinkwasser aus dem Hahn“, Berlin 2020), dann soll man bereits nach vier Stunden das Stagnationswasser nicht mehr zum Trinken oder zur Speisenzubereitung verwenden. Man soll in diesem Fall das Stagnationswasser ablaufen lassen. Wenn es also gemäß Umweltbundesamt nach vier Stunden zu einem Problem durch stagnierendes Wasser kommen kann, dann nützen auch eingeschleifte Leitungen nichts. Denn auch in eingeschleiften Leitungen wird das Wasser die allermeiste Zeit länger als vier Stunden stagnieren. Es ist ja wie gesagt nicht so, dass in eingeschleiften Leitungen das Wasser permanent bewegt wird.

Das Umweltbundesamt äußert sich nicht zu eingeschleiften Leitungen

Vermeidung von Risiken durch stagnierendes Wasser (Umweltbundesamt)

Wie bei den Normen und Regelwerken findet sich in den Ausführungen des Umweltbundesamtes kein Wort zu eingeschleiften Leitungen. In der nebenstehenden Abbildung ist zum Beispiel eine Grafik des Umweltbundesamtes zu sehen zur Vermeidung von Risiken durch stagnierendes Wasser. Eingeschleifte Leitungen sind hier nicht zu erkennen. Alle Zapfstellen werden hier über Stichleitungen versorgt.

Empfehlung zur Vermeidung von Rückverkeimung

Die einzige technische Empfehlung, die vom Umweltbundesamt gegeben wird, ist die, dass „dauerhaft unzureichend oder gar nicht genutzte Leitungsabschnitte im Zweifel vom übrigen Leitungsnetz durch das Schließen des zugehörigen Absperrventils vorübergehend oder ganz abgetrennt werden“. Diese Empfehlung wird ausgesprochen, da die potenzielle Verkeimung in einem Leitungsabschnitt mit Stagnation auf das übrige Leitungsnetz zurückschlagen kann (die so genannte „Rückverkeimung“). Daher der Hinweis auf die Abtrennung dieser Leitungsabschnitte.

Die Verweilzeit wird vergrößert

Was bei eingeschleiften Rohrleitungen unbedingt zu beachten ist, ist die Tatsache, dass auf Grund der langen Rohrleitungen die Verweilzeit des Wassers vergrößert wird. Das wiederum führt zu längerer Stagnation, weshalb zu lange Rohrleitungen auch kontraproduktiv zur guten Absicht, Stagnation zu vermeiden, sein kann.

Es kommt auch auf den Einzelfall an

Ein häufig auftretendes Problem sind beispielsweise Stichleitungen zu Außenzapfstellen (siehe oben). Oftmals verlaufen diese Stichleitungen aber durch Kellerbereiche. Und da muss man sich fragen, ob es in einem Keller zu Temperaturen kommen kann, die oberhalb von 25 °C liegen können. Denn nur dann kann es zur Verkeimung kommen. Ein anderer hier zu begutachtender Fall betraf eine Stichleitung zur Nachspeisung einer Heizungsanlage. Heizungswasser dient aber nicht zu Trinkwasserzwecken, so dass eine Verkeimung in einer solchen Stichleitung nicht unbedingt vermieden werden muss. Allenfalls die Vermeidung einer von einer solchen Leitung möglicherweise ausgehenden Rückverkeimung wäre beachtenswert. Ein solches Problem braucht man aber nicht unbedingt mit einer eingeschleiften Rohrleitung zu lösen. So sollte man immer den jeweiligen Einzelfall betrachten und entsprechend bewerten.

Das Ergebnis der Betrachtungen

Was eingeschleifte Rohrleitungen angeht, kann man zum jetzigen Zeitpunkt das Folgende sagen:

  • Eingeschleifte Rohrleitungen zählen (noch) nicht zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik
  • Auch in eingeschleiften Rohrleitungen stagniert das Wasser die überwiegende Zeit.
  • Lange Rohrleitungen widersprechen der guten Absicht nach kurzen Stagnationszeiten.
  • Es dürfte auf den jeweils gegebenen Anwendungsfall ankommen anstatt auf eine pauschale Vorgabe.

Die Wertermittlung bei technischen Anlagen und Maschinen: es kommt auch auf den Markt an!

Bei der Wertermittlung bei technischen Anlagen und Maschinen geht es um Geld.

Eine Wertermittlung ist immer eine besondere Sache, weil das Ergebnis einer Wertermittlung stets diskussionswürdig ist. Das liegt daran, dass es keine allgemein verbindlichen Kriterien für die Ermittlung von Werten gibt. In dem sehr interessanten Artikel Was Bestandsanlagen wert sind des Rechtsanwalts Andreas Kleefisch kommt das ganz gut zum Ausdruck. Hier wird in Zusammenhang mit der Wertermittlung sogar von „Wildwest“-Zuständen gesprochen. Und das mag stimmen, denn Werte zu ermitteln ist sehr häufig einer subjektiven Betrachtung geschuldet. Objektive Kriterien finden sich wie gesagt wenige.

Warum werden Wertermittlungen durchgeführt?

Die Gründe, die Wertermittlungen bei technischen Anlagen und Maschinen auslösen, können vielfältig sein. In Gerichtsverfahren will man wissen, um welchen Betrag man streitet. Eine Bank will wissen, welche Kreditsicherheit geboten wird. Ein Unternehmenskäufer will im Rahmen einer Due Dilligence wissen, welcher Preis realistisch ist. Ein Steuerberater braucht Daten für steuer- und bilanzrechtliche Einordnungen. Der Insolvenzverwalter will wissen, welchen Wert die Konkursmasse hat. Oder weder Käufer noch Verkäufer kennen den zu zahlenden Preis für eine zu veräußernde Sache.

Der Markt entscheidet

Über allem steht der Markt. Denn es kommt immer darauf an, ob es potenzielle Käufer für eine Sache gibt oder gäbe. Denn es nützt der schönste Wert nichts, wenn keine Abnehmer vorhanden sind. Das gilt insbesondere für Sachen, die es nicht zu Zehntausenden gibt wie zum Beispiel Autos und Häuser, sondern beispielsweise Sonderanfertigungen von Anlagen und Maschinen, womöglich jeweils nur für einen einzigen Zweck bestimmt. Ein Förderband für Koks ist halt nur für Kokereien interessant, davon einmal abgesehen, dass Kokereien zum Zeitpunkt einer potenziellen Veräußerung auch noch Bedarf für ein Förderband haben müssten. Sehr plastisch dargestellt werden diese Zusammenhänge in der sehr amüsanten Fernsehsendung Bares für Rares. Diese Show sei jedem Wertermittler ans Herz gelegt. Denn hier sieht man das ganze Konfliktpotenzial im Dreierpack:

1. die Wertvorstellung von Verkäufern,
2. die Wertermittlung bzw. -schätzung von Experten bzw. Gutachtern und
3. der Markt bzw. die potenziellen Käufer, hier dargestellt durch Händler, die eine Ware nur bei einer Wiederverkaufsmöglichkeit und für einen bestimmten Preis abzunehmen bereit sind.

Die Werte, die sich aus den Vorstellungen der drei oben Beteiligten ergeben, unterscheiden sich in der Realität mitunter sehr deutlich voneinander. Und wenn es – unabhängig vom Wert oder Preis – keine Käufer gibt, gibt es auch keinen Verkauf, so wertvoll eine Sache für einen Verkäufer auch sein mag.

Bei der Wertermittlung kommt es auf den Marktwert an

Wie bei Bares für Rares ist es im richtigen Leben bzw. in der Geschäftswelt: Es geht im Grunde eigentlich immer um den Marktwert (bei Immobilien auch Verkehrswert genannt). Der Marktwert ist dabei laut des Wikipedia-Eintrags zum Marktwert derjenige Wert, der einem Wirtschaftsobjekt auf einem Markt durch den Marktpreis von den Marktteilnehmern beigemessen wird. Doch wie lässt sich der Marktwert ermitteln? Laut §9 Bewertungsgesetz (BewG) ist Bewertungen im Allgemeinen der gemeine Wert zugrunde zu legen. Hierzu wird im BewG dann ausgeführt, dass der gemeine Wert … durch den Preis bestimmt (wird), der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.

Wieviel ist eine technische Anlage oder eine Maschine nun wert?

Folgt man dem BewG, dann ist zunächst die Beschaffenheit zu bestimmen bzw. zu bewerten. Ein reparaturanfälliges altes Schätzchen, das aus allen Löchern pfeift, ist dabei sicherlich weniger wert als eine neuwertige Maschine, die problemlos ihre Stückzahlen macht. Für die Bewertung der Beschaffenheit eignet sich beispielsweise das vom Institut für Sachverständigenwesen e.V. vorgeschlagene Verfahren zur Zeitwertberechnung. Der Zeitwert ist dabei definiert als der Wert einer Maschine oder Anlage unter Berücksichtigung ihres Alters und ihres Betriebszustandes, insbesondere der Abnutzung und der Instandhaltung, der Verwendung und Nutzung sowie der durchschnittlichen technischen Nutzungs- und Lebensdauer. Genau das, was die Beschaffenheit eben ausmacht. Aber was ist mit dem Preis, der laut BewG bei einer Veräußerung zu erzielen wäre? Nun, das dürfte von den jeweiligen Umständen abhängen. Denn für eine Veräußerung braucht man – siehe oben – auch einen Käufer bzw. einen Markt, auf dem man die zu bewertende Sache auch losschlagen kann. Fälle, bei dem ein Käufer, der eine gesamte Anlage kauft, um sie weiter zu betreiben oder eine Maschine, die der Käufer ohne Probleme in seinen Maschinenpark integrieren kann, sind da noch relativ einfach zu bewerten. Aber was ist mit dem bereits erwähnten Förderband für Koks? Der Aspekt eines nicht vorhandenen Marktes kann bei einer Wertermittlung leicht dazu führen, dass eine Anlage oder eine Maschine nicht nur nichts wert ist, sondern auch einen „negativen“ Wert hat, das heißt, dass man Kosten aufzuwenden hat, um die Sache im Fall der Fälle überhaupt loszuwerden, zum Beispiel auf dem Schrottplatz.

Sie interessieren sich für die Leistungen des Sachverständigen- und Gutachterbüros Dr. Hövelmann & Rinsche in Zusammenhang mit Wertermittlungen? Dann erfahren Sie hier mehr: Sachverständige und Gutachter für die Bewertung und Wertermittlung technischer Anlagen und Maschinen

Wo liegt sie nun, die Rückstauebene?

Die Rückstauebene ist ein Begriff, der in Zusammenhang mit dem Phänomen Rückstau Anwendung findet. Unter einem „Rückstau“ ist dabei in diesem Fall ein Rückstau aus der öffentlichen Kanalisation zu verstehen. Dieser kann zum Beispiel dann vorkommen, wenn der öffentlichen Kanalisation so viel Wasser zugeführt wird, dass sie nicht mehr in der Lage ist, dieses Wasser vollständig abzuführen. Solche Wassermengen entstehen insbesondere bei starken Regenfällen. Es sind aber auch andere Ereignisse denkbar, die Rückstauereignisse zur Folge haben können. Hierzu zählen beispielsweise der Ausfall von Pumpwerken oder Abflusshindernisse in der Kanalisation. Auch reine Schmutzwasserkanäle können übrigens von Rückstau betroffen sein – zum Beispiel wenn Straßen überschwemmt werden und sich die Schmutzwasserkanäle über die Schachtdeckel füllen.

Das Wasser kommt aus der Kanalisation

Bei einem Rückstau kann sich das Wasser in die Anschlussleitungen der Häuser, die an die öffentliche Kanalisation angeschlossenen sind, zurückdrücken. Das Wasser tritt dann in den Häusern an den denjenigen Wasserabläufen oder offenen Stellen aus, die unterhalb der so genannten „Rückstauebene“ liegen. Hier ist ein eindrucksvolles Video zu sehen, wo gezeigt wird, wie rückgestautes Wasser aus einem WC, das sich unterhalb der Rückstauebene befindet, austritt und ein Kellergeschoss flutet:

Die Straßenoberkante als Rückstauebene…

Es gilt, dass rückgestautes Wasser nicht höher steigen als das Niveau der Rückstauebene. Im Allgemeinen gilt dabei die Höhenlage der Straßenoberkante als Rückstauebene. Dies deshalb, weil in der Kanalisation ansteigendes Wasser über die in der Regel gelochten Deckel der mit der Kanalisation verbundenen Schächte sowie über die an die Kanalisation angeschlossenen Straßenabläufe austreten und anschließend über die Straßenoberflächen abfließen kann.

Was steht in den Abwassersatzungen?

In Deutschland sind die Städte und Gemeinden abwasserbeseitigungspflichtig. Das heißt, dass sie zum Beispiel Kanalisationen errichten und betreiben müssen. Wenn man sich nun an eine solche öffentliche Kanalisation anschließt, muss man die Abwasser- oder Entwässerungssatzungen der Städte und Gemeinden beachten. Hierin steht u.a., dass sich die Anschlussnehmer selbst gegen Rückstau zu sichern haben. Freundlicherweise werden diesbezüglich dann noch Hinweise dazu gegeben, wie die Höhenlage der Rückstauebene in der jeweiligen Gemeinde oder in der jeweiligen Stadt zu definieren ist. Zumeist wird hierbei die Straßenoberkante genannt (siehe oben). Zuweilen findet man dann auch weitere Präzisierungen, dass es sich beispielsweise um die Höhenlage der Straßenoberkante vor dem Haus oder an der Stelle des Anschlusses handelt. Auch werden dann und wann die Gehwege mit einbezogen.

Die Definitionen in den Satzungen sind zu pauschal

Was auch immer die Satzungen zur Lage der Rückstauebene sagen, wenn man die Rückstauebene aus technischer Sicht betrachtet (das heißt, wenn man sich wirklich gegen Rückstau schützen will), sind die Vorgaben aus den Abwasser- und Entwässerungssatzungen in vielen Fallen zu pauschal. Die Definitionen aus den Satzungen berücksichtigen nämlich nicht die jeweils vorliegenden individuellen Verhältnisse. Was ist zum Beispiel mit Hanggrundstücken? Was ist zum Beispiel des Weiteren mit einer Straße, in denen gar kein Kanal verlegt ist, sondern erst in der übernächsten Straße?

Dann entscheiden die Gerichte

Die ungenaue und zu pauschale Angabe aus den Satzungen, wonach die Rückstauebene auf Höhe der Straßenoberkante liegt, führt insbesondere bei Streitigkeiten über Mängel (ist eine Rückstausicherung erforderlich oder nicht?) oder bei Schäden (Wasserschaden durch Rückstau) zu unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten, die dann in der Regel nur juristisch per Gerichtsurteil aufzuklären sind.

Definition der Rückstauebene nach DIN 12056-1

Unter einer „Rückstauebene“ ist gemäß der Norm DIN EN 12056-1 („Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden, Teil 1: Allgemeine und Ausführungsanforderungen“) diejenige Höhenlage zu verstehen, „bis zu der Wasser in einer Entwässerungsanlage ansteigen kann“. Das heißt richtigerweise, dass die Lage der Rückstauebene von Ort zu Ort unterschiedlich und damit immer in der Örtlichkeit zu prüfen ist. Eine schöne Aufgabe für Sachverständige und Gutachter.

Rohrleitungen mit Unterbögen

Prinzipskizze eines Unterbogens

Ein Unterbogen (auch „Wassersack“, „Wasserrückstau“, „Wasserspiegel“, „Ausbiegung“ oder „Absackung“ genannt) ist eine abgesackte Strecke in einer Rohrleitung oder in einem Kanal. Hierdurch entsteht innerhalb einer Rohrleitung oder eines Kanals ein Bereich, der ein Gegengefälle hat (zuweilen auch „Kontergefälle“ genannt). In sol­chen Bereichen bleibt demzufolge das Wasser stehen (siehe die nebenstehende Prinzipskizze eines Unterbogens). Bei Kanalkamera-Befahrungen kann man einen Unterbogen deshalb daran erkennen, dass die Kanalkamera in einen Wasserstau hineinfährt und anschließend wieder heraus.

Es besteht Verstopfungsgefahr

Unterbögen wirken wie Sedimentationszo­nen. Hier können sich Fest­stoffe absetzen und anreichern. Abgelagerte Feststoffe wirken wie Abflusshindernisse, die den bestimmungsgemäßen Abfluss des Abwassers einschränken können. Die Feststoffe können sich auch durchaus so weit auftürmen, dass Verstopfungen entstehen können. In diesem Fall käme es zu einem Rückstau von Abwasser entgegen der Fließrichtung.

Auch die Druckverhältnisse können beeinflusst werden

Des Weiteren können Unterbögen bzw. mit Wasser gefüllte Teilbereiche einer Rohrleitung – entsprechende Wasserstände vorausgesetzt – die Be- und Entlüftung bzw. den Druckausgleich beim Fließprozess negativ beeinflussen. Auch können Druckschwankungen auftreten, die womöglich Geruchsverschlüsse leerzusaugen vermögen.

Was sagen die allgemein anerkannten Regeln der Technik?

Eine grundsätzliche Anforderung an Entwässerungssysteme ist ein verstopfungs­freier Betrieb. Deshalb widersprechen Rohrleitungsstrecken, die ein Gegengefälle aufweisen und somit verstopfungsanfällig sind, den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Rohrleitungen sollen daher in einem durchgängigen Gefälle verlegt werden. Hierdurch erreicht man auch die geforderten ausreichend großen Fließgeschwindigkeiten. Denn diese sind erforderlich, um ausreichend große Wandschubspannungen zu erzeugen, die einer Ablagerung von Feststoffen entgegenstehen. Erreichen kann man dies u.a. über ein bestimmtes Mindest-Gefälle der Rohrleitungsstrecke. Dabei müssen aber nicht nur der Anfang und das Ende einer Rohrlei­tungsstrecke einen gewissen Höhenunterschied der Sohltiefen aufweisen. Auch die Rohrleitung selbst muss wie gesagt ein durchgängig gleichmäßiges Gefälle längs der gesamten Strecke besitzen. Da in einem Unterbogen das Gefälle jedoch negativ ist, wird hier die für einen erfolgreichen Feststofftransport erforderliche Wandschubspannung nicht erreicht.

Wie entstehen Unterbögen?

Unterbögen beruhen entweder auf Verlegefehlern oder sie entstehen im Laufe der Zeit. Unterbögen in neuen Rohrleitungen können in der Regel immer auf Verlegefehler zurückgeführt werden, zum Beispiel dadurch, dass die Rohrbettung nicht fehlerfrei hergestellt wurde. Bei Unterbögen, die sich mit der Zeit entwickeln, vermutet man Undichtigkeiten in den Rohrleitungen als Ursache. Durch Undichtigkeiten aus den Rohrleitungen austretendes Wasser vermag nämlich die Rohrbettung über Jahre hinweg gesehen zu unterspülen. Dies dürfte bei den ganz alten Rohrleitungen der Fall sein, die in den Muffen noch mit Teerstricken abgedichtet waren. Diese Teerstricke verrotten irgendwann, so dass entsprechende Undichtigkeiten entstehen können. Daher sind in den ganz alten Rohrleitungen häufig Unterbögen vorzufinden. Heutzutage verwendet man üblicherweise Gummidichtungen, die entsprechend haltbar sind. Von daher sind in solchen Rohrleitungen mit der Zeit entstehende Unterbögen eigentlich nicht zu erwarten. Potenziell undichte Stellen können aber durch einwachsende Wurzeln entstehen.

Unterbögen sind Schäden

Zur Bewertung von Unterbögen dahingehend, ob sie Schäden darstellen, kann der „Bildreferenzkatalog – Private Abwasserleitungen“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen herangezogen werden. Diese Literaturquelle stellt eine Orientierungs- und Arbeitshilfe für die Auswertung der Ergebnisse von Zustandsprüfungen privater Abwasserleitungen dar. Sie wurde auf der Basis der Normen DIN EN 13508-2 („Untersuchung und Beurteilung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden, Teil 2: Kodiersystem für die optische Inspektion“) in Verbindung mit dem DWA-M 149-2 („Zustandserfassung und -beurteilung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden, Teil 2: Kodiersystem für die optische Inspektion“) und der DIN 1986-30 („Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 30: Instandhaltung“) erarbeitet.

Auszug aus dem Bildreferenzkatalog Private Abwasserleitungen in Bezug auf Unterbögen

Der auf Unterbögen bezogene Ausschnitt des Bildreferenzkataloges ist nebenstehend dargestellt. Demnach zählen Unterbögen mit einem Wasserstand kleiner 30 % zu den Bagatellschäden, für die keine Sanierungsnotwendigkeit besteht. Unterbögen mit Wasserständen zwischen 30 und 70 % sind als mittelgroße Schäden zu bezeichnen, die innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen sind. Unterbögen mit Wasserständen größer 70 % sind große Schaden, deren Beseitigung unverzüglich zu erfolgen hat. Es ist jedoch unbedingt darauf hinzuweisen, dass der „Bildreferenzkatalog – Private Abwasserleitungen“ für alte Rohrleitungen gedacht ist.

Sind Unterbögen auch Mängel?

Der Begriff „Mangel“ steht insbesondere in Zusammenhang mit Bauleistungen und ist so zu definieren, als dass ein Mangel jede Abweichung der Ist-Beschaffenheit eines Werkes von seiner Soll-Beschaffenheit darstellt. Im Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 09.01.2018 – 2 O 178/14 – heißt es hierzu, dass für die Definition der Soll-Beschaffenheit zunächst die zwischen Bauherr und ausführendem Unternehmen getroffene Beschaffenheitsvereinbarung maßgeblich ist. Sollte es aber an einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung fehlen, kommt es auf die vertraglich vorausgesetzte, sonst auf die gewöhnliche Verwendungseignung und die übliche Beschaffenheit an. Diesbezüglich kann, so wie es weiter im o.a. Urteil heißt, ein Bauherr erwarten, dass das von ihm bestellte Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung (und Abnahme) diejenigen Qualitäts- und Fachstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertiggestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen. Das Werk müsse dabei dem Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme entsprechen. Allein die Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik würde einen Mangel darstellen.

Nun wurde bereits ausgeführt, dass Unterbögen den allgemein anerkannten Regeln der Technik widersprechen. Demnach wären Unterbögen als Mängel anzusehen. Doch ist das nicht so einfach. Denn es gibt zu berücksichtigende Bautoleranzen. Jedoch sind nirgendwo Toleranzen für Unterbögen definiert als im o.a. „Bildreferenzkatalog – Private Abwasserleitungen“. Doch dieser war eigentlich für „alte“ Rohrleitungen gedacht. Gelten nun für neue Rohrleitungen dieselben „Toleranzen“ wie für alte Rohrleitungen?

Was sagen die Gerichte?

Zum o.a. Problem lässt sich das bereits erwähnte Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 09.01.2018 – 2 O 178/14 – aus. Hier ging es um einen Unterbogen in einer neuen Rohrleitung, der einen Wasserstand von 10 % verursachte. Einen solchen Unterbogen sah das Gericht nicht als Mangel an, da einerseits ausweislich des Bildreferenzkataloges Wasserstände bis zu 30 % nicht bedenklich seien. Andererseits vertrat das Gericht die Sichtweise dahingehend, dass man die Gefahr einer Verstopfung nicht vorhersagen könne. Ins selbe Horn bläst diesbezüglich auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Urteil vom 01.12.2014 – 5 K 6952/13. Hier heißt es, dass selbst wenn ein Verstoß gegen die Regeln der Technik vorliegen würde (hier konkret in Bezug auf die Verlegung von Abwasserleitungen gemäß der DIN 1610), sich hieraus keine konkrete Aussicht auf eine vorzeitige Sanierungsbedürftigkeit ergäbe. Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit absehbar, ob die gewählte Bauausführung tatsächlich zu späteren Schäden führen würde.

Es kommt auch auf die Umstände an

Die Gerichte haben Recht: Die Existenz eines Unterbogens führt tatsächlich nicht automatisch zu einer Verstopfung oder zu Betriebsproblemen. Es kommt zum Beispiel auch immer darauf an, ob eine Entwässerungsanlage bestimmungsgemäß betrieben wird. Bei reinen Schmutzwasserleitungen zählt hierzu die Art der Feststoffe, die eingeleitet werden. Bestimmungsgemäß „dürfen“ nämlich als Feststoffe nur Fäkalien und Toilettenpapier zum Schmutzwasser gegeben werden. Hiermit ist auch bei schwach ausgeprägten Unterbögen nicht mit Problemen zu rechnen, zumal auch die von WC-Spülungen ausgehenden Spülstöße für ausreichende Spüleffekte sorgen. Werden jedoch andere Stoffe eingeleitet wie Binden, Essensreste, Feuchttücher oder sogar Katzenstreu (alles erlebt), dann besteht natürlich Verstopfungsgefahr (übrigens nicht nur bei der Existenz von Unterbögen). Auch ist in eine Bewertung mit einzubeziehen, ob sich der Unterbogen in einer Rohrleitung befindet, in der beispielsweise nur Regenwasser transportiert wird. Regenwasser zählt zu den Abwässern, die als weitgehend feststofffrei gelten. Aber auch hier gilt: bestimmungsgemäßer Gebrauch! Wer seine Dachrinnen nicht regelmäßig säubert, darf sich nicht wundern, wenn in seinem Regenwasser Feststoffe wie zum Beispiel Blätter von Bäumen mitgeführt werden.

Die sachverständige Bewertung

Ob Unterbögen Mängel oder Schäden darstellen und ob sie zu beseitigen sind, ist immer im Einzelfall zu entscheiden. Auch wenn es Bautoleranzen gibt, so kommt es auch darauf an, ob sich ein Unterbogen vielleicht schon schädlich ausgewirkt hat, zum Beispiel indem sich Ablagerungen oder sogar Verstopfungen gebildet haben. Zudem ist zu berücksichtigen, welche Arten von Abwässern in der vom Unterbogen betroffenen Rohrleitung transportiert werden. Darüber hinaus stellt sich immer die Frage, ob ein Unterbogen, der beispielsweise als ein mittelgroßer Schaden einzustufen ist, nicht schon jetzt beseitigt werden soll und nicht erst in 10 Jahren. Denn zu beseitigen ist er ja in jedem Fall.

Was sagt die DIN 1986-30?

In der DIN 1986-30 („Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 30: Instandhaltung“) wird davon gesprochen, dass bei Unterbögen, die sich außerhalb von Gebäuden „zwischen Schächten mit offenem Durchfluss und Lüftungsöffnungen in den Schachtabdeckungen“ befinden, „im Einzelfall zu prüfen (ist), ob durch häufigeres Reinigen der Leitung der Betrieb aufrechterhalten werden kann oder die Sanierung in einem kürzerem Zeitraum“ zu erfolgen hat. Unabhängig davon, dass zudem zu prüfen wäre, welches Ausmaß eines „häufigeren Reinigens“ zumutbar ist und gegebenenfalls einen Schaden darstellt, deutet die Notwendigkeit, häufiger reinigen zu müssen, darauf hin, dass sich der betreffende Unterbogen bereits schädlich ausgewirkt hat (siehe oben). Denn durch eine Reinigung beseitigt man schließlich Ablagerungen. Die DIN 1986-30 eröffnet damit die Option, eine Sanierung früher stattfinden zu lassen als im „Bildreferenzkatalog – Private Abwasserleitungen“ (der ja übrigens auch mit auf der DIN 1986-30 basiert) angegeben.

Wie sind Unterbögen zu beseitigen?

Beseitigung eines Unterbogens in offener Bauweise

Das Tragische an Unterbögen ist, dass sie nur auf eine Weise beseitigt werden können: durch Freilegung, das heißt durch offene Bauweise und entsprechende Korrektur des Gefälles oder sogar durch Neuverlegung der Rohrleitung. Somit ist die Beseitigung eines Unterbogens immer sehr aufwändig. Denn die Rohrleitungen, um die es hier geht, sind in der Regel so genannte „Grundleitungen“. Das heißt, dass sie untererdig verlegt und auch oftmals überbaut sind. Zum großen Teil liegen die Rohrleitungen unterhalb von Gebäuden, das heißt unterhalb der Kellersohlen. In diesen Fällen ist jeweils der Kellerboden zu öffnen.

Eine Alternative ist, eine vom Unterbogen betroffene Rohrleitung aufzugeben und die Entwässerungsanlage neu zu gestalten bzw. neu zu konzipieren. Dies ist in vielen Fällen aber auch nicht gerade unaufwändig.

Oftmals werden übrigens zur Rohrsanierung Inlinerverfahren angeboten. Aber Vorsicht: mit einem Inliner werden keine Unterbögen beseitigt!