Schäden und Mängel an öffentlichen Kläranlagen

Die Sachverständigen und Gutachter von Dr. Hövelmann & Rinsche begutachten regelmäßig Schäden und Mängel an öffentlichen Kläranlagen. Hierbei geht es insbesondere um die jeweilige technische Ausrüstung (Maschinen und Anlagen) und die Verfahrenstechnik von Kläranlagen. Nachfolgend berichten wir von einem eindrucksvollen Beispiel.

Überschreitung von Grenzwerten im Ablauf einer Kläranlage

Beispiel für ein Nachklärbecken von KläranlagenBei einer Kläranlage mit einer Ausbaugröße von 16.000 EW, deren Nachklärbecken nebenstehend zu sehen ist, kam es an einem bestimmten Tag zu einer Überschreitung der Ablauf-Grenzwerte in Bezug auf CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf) und Phosphor. Der Ablaufwert für den CSB betrug dabei 3.600 mg/l. Da der Kläranlage aber ausschließlich häusliche Abwässer zugeleitet werden, liegen die Zulaufwerte beim CSB unter bzw. im Bereich von 1.000 mg/l. Kläranlagen, denen ein CSB von 1.000 mg/l zuläuft, kann aber im jeweiligen Ablauf niemals einen größeren CSB-Wert aufweisen. Es sei denn, dass es zu einer Ausschwemmung von Belebtschlamm aus den Kläranlagen kommt. Der Belebtschlamm verursacht nämlich ebenfalls einen CSB. Die Überschreitung des CSB-Grenzwertes musste somit durch ausgeschwemmten Belebtschlamm verursacht worden sein. Die Überschreitung des Phosphor-Grenzwertes war auf denselben Effekt zurückzuführen, da sich die bei der Phosphatfällung entstehenden Phosphatflocken teilweise an den Belebtschlamm anlagern.

 

Keine hydraulische Überlastung der Kläranlage

Am Tag, als man die Grenzwert-Überschreitungen festgestellt hatte, hatte es im Vormittag einen länger andauernden Regen gegeben. Aus diesem Grund soll die durch die Kläranlage durchlaufende Abwassermenge erhöht gewesen sein. Während der Trockenwetterabfluss ansonsten im Bereich zwischen 60 und 90 m³/h liegt, soll die Abwassermenge am Schadenstag bis zu 300 m³/h betragen haben. Ausgelegt ist die Kläranlage allerdings auf eine Menge von 400 m³/h. Daher kann eine hydraulische Überlastung der Kläranlage, die möglicherweise zu einer Ausschwemmung von Belebtschlamm hätte führen können, nicht vorgelegen haben. Die erhöhte Abwassermenge war also nicht die Ursache für die Grenzwert-Überschreitungen bzw. das Ausschwemmen von Belebtschlamm.

 

Keine Flotationseffekte

Schließlich war zu vermuten, dass die Verdichter für den Eintrag von Sauerstoff in die biologische Klärstufe der Kläranlage eine Fehlfunktion gehabt haben könnten. Dass zu viel Sauerstoff bzw. Luft eingetragen worden war mit der Folge eines Flotationseffektes, der den Belebtschlamm möglicherweise aufschwimmen ließ. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der vielleicht flotierte Belebtschlamm sich im Nachklärbecken nicht abscheiden ließ. Nach der Analyse der Betriebsdaten der Verdichter stellte sich aber heraus, dass eine solche Fehlfunktion nicht vorgelegen haben kann. Somit fielen die Verdichter als Verursacher des Schadens aus.

 

Kein Blähschlamm

Dann wurde Blähschlamm als mögliche Schadensursache untersucht. Unter „Blähschlamm“ wird dabei ein Belebtschlamm verstanden mit einem Schlammindex, der größer ist als 150 ml/g. Blähschlamm hat schlechte Absetzeigenschaften, das heißt, dass es zum Abtreiben von Schlammflocken aus den Nachklärbecken von Kläranlagen kommen kann. 150 ml/g sind allerdings nur eine ungefähre Richtgröße. Denn es kommt auch immer auf die jeweilige Kläranlage an, ob sich nämlich die Überschreitung dieser „Grenze“ negativ auswirkt oder nicht. Nach diesbezüglichen Untersuchungen wurde jedoch festgestellt, dass die Kläranlage im Allgemeinen kein Problem mit Blähschlamm hat. Zudem hatte das Abwasser am Schadentag solche chemischen Eigenschaften, dass eine Blähschlamm-Bildung nicht hat stattfinden können. Weiterhin war am Schadenstag der Schlammindex gemäßigt, er lag insbesondere unter einem Wert von 150 ml/g.

 

Die Ursache lag in der Zuführung von Tausalz

Nach weiteren Recherchen zur Schadensursache haben die Sachverständigen von Dr. Hövelmann & Rinsche dann festgestellt, dass in der Woche vor dem Schadentag Frostbedingungen vorherrschten. Weiterhin wurde ermittelt, dass während dieser Frostperiode auf den Straßen im Einzugsgebiet der Kläranlage, die in die Kläranlage entwässern, Streusalz bzw. Tausalz aufgebracht worden war. Zudem hatte es – wie bereits erwähnt – am Tag, als man die Grenzwert-Überschreitungen festgestellt hatte, im Vormittag einen länger andauernden Regen gegeben. Dieser Regen fiel zwar leicht bis mäßig aus, jedoch dauerte er relativ lange an, nämlich fast fünf Stunden. Es lag daher die Vermutung nahe, dass in dieser Zeit das in den Tagen zuvor aufgebrachte Tausalz anlässlich des Dauerregens der Kläranlage zugeführt wurde. Die Kläranlage erlitt demnach einen „Salzstoß“.

 

Tausalz beeinträchtigt die Flokkulation von Belebtschlammflocken

In einer der zentralen Literaturquellen für Funktionsstörungen auf Kläranlagen (/1/) wird hierzu in Bezug auf den Belebtschlamm von einem Flockenzerfall berichtet, der durch einen Salzstoß zu Stande kommen könne. In /2/ wird hierzu erweiternd ausgeführt, dass im Abwasser von Kläranlagen vorhandene Natriumionen einen Einfluss auf das Absetzverhalten von Belebtschlammflocken hätten. Im Allgemeinen gilt zunächst, dass die Flockulation von Belebtschlamm, also die Zusammenballung von Belebtschlammflocken zu absetzbaren Aggregaten, maßgeblich von der Gegenwart von Kationen abhängt. Hierbei gilt folgende Reihenfolge in Bezug auf die Flockulationskraft der Kationen:

 

Ca2+ > Mg2+ > K+ > Na+

 

Zweiwertige Kationen wie Calcium oder Magnesium haben eine größere Flockulationskraft als einwertige Kationen wie Kalium und Natrium. Indes ist es so, dass die Zugabe von einwertigen Kationen zu einer Verdrängung der zweiwertigen Kationen an der Belebtschlammflocke führt. Somit kommt es zu einer Verschlechterung der Flockulation mit der Folge eines Flockenzerfalls. Es wird davon berichtet, dass es insbesondere nach einem Einsatz von Streu- bzw. Tausalz und häufig von einem Tag auf den anderen zu einer deutlichen Verschlechterung der Bildung von Belebtschlammflocken in Kläranlagen kommen könne. Dies, weil es mit dem Tausalz auch zu einem Eintrag von Natrium kommt, das wie gesagt zum Flockenzerfall führen kann.

 

Salze im Abwasser verursachen Dichteströmungen

Des Weiteren wird in /1/ berichtet, dass es bei unterschiedlichen Leitfähigkeiten im Zulauf zur Nachklärung und im Nachklärbecken selbst zu Dichteströmungen kommen kann. Diese könnten dann einen Feststoffaustrag aus der Nachklärung von Kläranlagen herbeiführen. Insbesondere sei dies im Winterhalbjahr der Fall, wenn es zu Tausalzeinträgen kommen könne. Es werden also mit Flockenzerfall und Dichteströmung zwei Phänomene beschrieben, die auf dem Eintrag von Natrium bzw. Salz beruhen. Das natriumhaltige Salz Natriumchlorid ist Bestandteil von Streu- bzw. Tausalz. Daher lag es nahe zu vermuten – zumal andere potenzielle Schadensursachen ausgeschlossen werden konnten – dass es im Ablauf der hier vorliegenden Kläranlage wegen des Tausalzeinsatzes in Verbindung mit dem Dauerregen zur Überschreitung der Grenzwerte beim CSB und Phosphor gekommen war.

 

Litaraturnachweise

/1/ Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg: Funktionsstörungen auf Kläranlagen, Karlsruhe, 1997
/2/ Sölter, K.: Der Einfluss von Natriumionen auf das Absetzverhalten von Belebtschlammflocken, wwt, 10/2010

 

Hier geht zur Website für etwaige Anfragen: Sachverständigenbüro Dr. Hövelmann & Rinsche.