Leitungswasserschaden abgrenzen mittels Isotopenanalyse

Die Sachverständigen und Gutachter von Dr. Hövelmann & Rinsche sind sehr häufig mit der Beantwortung der Frage beschäftigt, ob ein Wasserschaden an einem Gebäude einen Leitungswasserschaden darstellt oder nicht. Hintergrund hierfür ist, dass in der Regel nur ein Leitungswasserschaden versichert ist. Ein Wasserschaden, der auf eine andere Wasserquelle zurückzuführen ist, ist für Versicherungen oft nicht ersatzpflichtig (es kommt natürlich dabei auch immer auf den jeweiligen Versicherungsvertrag an).

Wasserschäden an Gebäuden bestehen oft aus nassen Fußböden

Wasserschäden an Gebäuden stellen sich oft durch vernässte Fußböden dar. Das in die betroffenen Fußböden eingetretene Wasser – „Schadwasser“ genannt – führt dann in der Regel zu aufsteigenden Feuchtigkeiten in den Wänden. Weiterhin kann es innerhalb der Fußböden auch zur Bildung von Schimmel kommen. In solchen Fällen ist die Frage zu beantworten, welches Wasser für die Vernässung ursächlich war bzw. aus welcher Quelle das Schadwasser stammte.

Leitungswasser als mögliche Wasserquelle

Als mögliche Wasserquelle kommt zunächst Leitungswasser in Betracht. Hierunter ist dasjenige Wasser zu verstehen, das in geschlossenen Rohrleitungen fließt. Im gebäudlichen Bereich zählen hierzu Trinkwasser (kalt und warm), Heizungswasser sowie Abwasser (Regenwasser und Schmutzwasser). Leitungswasser vermag aus undichten Stellen in den betreffenden Rohrleitungen auszutreten und zum Beispiel Fußböden zu vernässen. Das nennt man dann einen Leitungswasserschaden.

Es kann auch von außen zugetretenes Wasser gewesen sein

Fallweise ist als Wasserquelle auch möglicherweise von außen zugetretenes Wasser zu berücksichtigen. Das kann erdgebundenes Grund- oder Schichtenwasser sein, aber auch so genanntes Oberflächenwasser. Unter Oberflächenwasser ist zum Beispiel niedergegangenes Regenwasser zu verstehen, das nicht versickert ist. Es fließt den jeweiligen Gefällelagen entsprechend ab und möglicherweise zu Gebäuden hin. Solche Wässer können keinen Leitungswasserschaden verursachen.

Wie ist die schadensverursachende Wasserquelle zu ermitteln?

Hat ein Gebäude einen Wasserschaden erlitten, denkt man zunächst immer – siehe oben – an einen potenziellen Leitungswasserschaden. Die Sachverständigen und Gutachter von Dr. Hövelmann & Rinsche prüfen deshalb als Erstes, ob es in Bezug auf einen Leitungswasserschaden vielleicht undichte Stellen in den in Frage kommenden Rohrleitungen gibt. Hierfür werden zum Beispiel Leckageortungen oder Kanalkamera-Befahrungen durchgeführt. Es kommt mitunter dabei vor, dass solche Leckageortungen ergebnislos oder ergebnisoffen verlaufen oder die Gesamtlage insgesamt unklar ist. Dass zum Beispiel je nach Beschaffenheit der jeweiligen örtlichen Verhältnisse auch von außen zugetretenes Wasser als Schadensursache in Frage kommt, vielleicht auch als mitwirkende Ursache. Aber auch andere Wässer wie zum Beispiel Abblaswasser von Sicherheitsventilen oder Kondensate aus Klimaanlagen und Kühlzellen (siehe unten) kommen als mögliche Schadensursachen in Frage.

Eine Isotopenanalyse kann helfen

Es kommt darauf an, die unterschiedlichen Merkmale der für einen Wasserschaden in Frage kommenden Wässer zu kennen. Und sie mit den Merkmalen des Schadwassers zu vergleichen. Ergibt sich eine Übereinstimmung von Merkmalen, kann man Rückschlüsse auf die Herkunft von Schadwasser ziehen. Mit Hilfe einer Isotopenanalyse kann man diesbezüglich Hinweise auf die Herkunft eines Wassers – hier eines Schadwassers – gewinnen. Hierbei werden Wasserisotope analysiert. Das Grundprinzip ist dabei die Bestimmung der relativen Anteile der leichten und schweren Isotope von Wasserstoff und Sauerstoff in Wasser. Die einzelnen Atome von Wasser- und Sauerstoff, aus dem Wasser besteht, können unterschiedliche Massen besitzen. So existieren beispielsweise zwei stabile Isotope von Wasserstoff: der „normale“ Wasserstoff und das Deuterium, das doppelt so schwer ist wie „normaler“ Wasserstoff.

Verdunstung und Kondensation spielen eine Rolle

Die Isotope eines Elements unterscheiden sich wegen ihrer unterschiedlichen Massen hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften. Zum Beispiel verdunsten Moleküle von „schwerem“ Wasser deutlich langsamer. Sie reichern sich somit in einer Flüssigphase an, wenn leichte Wassermoleküle zum Beispiel aus einer Pfütze verdunsten. Diese Aufteilung der Isotopen bei Verdunstung und Kondensation, die so genannten „Isotopensignaturen“, macht man sich bei der Interpretation einer Isotopenanalyse zu Nutze. Denn Verdunstung und Kondensation erzeugen typische Isotopensignaturen je nach Wassertyp.

 

Isotopenanalyse: ein Beispiel aus der Gutachter-Praxis

Nachfolgend wird beispielhaft von einem Fall berichtet, bei der eine vom Sachverständigenbüro Dr. Hövelmann & Rinsche durchgeführte Isotopenanalyse zum Einsatz kam. In diesem Fall lag ein vernässter Fußboden größeren Umfangs vor. Als potenzielle Quellen für das Schadwasser kam Leitungswasser in Frage, aber auch das Kondensat von größeren Kühlzellen, die in der Küche eines Restaurants aufgestellt waren. Das stetig anfallende Kondensat – also die kondensierte Feuchtigkeit der kalten Luft – wurde in einen Ablauftrichter geleitet. Dieser Ablauftrichter lief aber über, weil sich im angeschlossenen Geruchsverschluss (Siphon) wegen Bakterienwachstums eine Verstopfung des Ablauf ereignete. Um zu bestimmen, ob das Schadwasser aus dem Kondensat bestand oder es vielleicht doch Leitungswasser gewesen ist, wurden Proben vom Schadwasser, vom Kondensat und vom Leitungswasser (Trinkwasser) genommen. Die Proben wurden dann einer Isotopenanalyse unterzogen.

 

Ergebnis einer Isotopenanalyse: liegt ein Leitungswasserschaden vor?

Interpretation des Ergebnisses einer Isotopenanalyse

In der hier zu sehenden Abbildung ist beispielhaft das Ergebnis der in diesem Fall durchgeführten Isotopenanalyse dargestellt. Hier sind die stabilen Isotope von Sauerstoff-18 in Abhängigkeit von Deuterium zu sehen. Es ist eine blaue Gerade eingezeichnet. Diese Gerade nennt man „Global Meteoric Water Line (GMWL)“, zu Deutsch: „mittlere globale Niederschlagsgerade“. Diese gibt die sich in charakteristischen Grenzen bewegenden Isotopensignaturen für Regenwasser bzw. die Niederschläge wieder, wobei grob zwischen Winter- und Sommerniederschlägen zu unterscheiden ist. Zusätzlich sind noch Niederschlagsdaten einer Wetterstation eingetragen, die sich nahe des Schadenortes befindet und die die GMWL bestätigen.

Kennzeichen für Verdunstung und Kondensation

Eine zusätzliche Information, die die GMWL liefert, ist die, dass Isotopensignaturen, die rechts der GMWL liegen, Wässer kennzeichnen, aus denen bereits ein Teil verdunstet ist. Isotopensignaturen, die links der GMWL liegen, deuten dagegen auf Kondensationsprozesse der untersuchten Wässer hin. Die Verdunstungs- und Kondensationsprozesse verlaufen – sofern diese unter normalen raumklimatischen Bedingen stattfinden – dabei entlang einer Gerade, welche die Steigung 4 aufweist. Zwei dieser Geraden sind in der Abbildung als rote Linien eingetragen.

Leitungswasser hat den Schaden hier nicht verursacht

Aus der Abbildung ergibt sich nun, dass die Isotopensignatur des vorliegend beprobten Leitungswassers (blaues Dreieck) nahe der GMWL liegt. Dies ist wenig überraschend, da Leitungswasser grundsätzlich aus Niederschlag gespeist wird. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Isotopensignatur des beprobten Schadwassers (roter Kreis) ebenfalls nah bzw. sogar auf der GMWL liegt. Des Weiteren ist zu erkennen, dass die Isotopensignatur des Leitungswassers nahe der Geraden mit der Steigung 4 liegt, die von der Isotopensignatur des Schadwassers ausgeht. Insofern könnte man davon ausgehen, dass es sich bei dem Schadwasser um Leitungswasser handeln könnte, aus dem ein Teil bereits verdunstet ist. Dem wurde diesseits aber keine große Wahrscheinlichkeit zugesprochen. Denn die Isotopensignatur des Schadwassers liegt auf der GMWL und nicht rechts davon. Das heißt, dass das Schadwasser kaum Verdunstungsmerkmale aufweist. Das hätte aber so sein müssen, wenn es aus Leitungswasser bestünde, zumal sich das Wasser schon länger außerhalb der Leitung befunden und somit eine Verdunstung eingetreten sein muss.

Die Isotopensignatur von Kondensat bedarf einer Interpretation

Die Isotopensignatur des beprobten Kondensats (grünes Viereck) liegt erwartungsgemäß links der GWML (in der wie bereits gesagt Isotopensignaturen von Kondensaten zu erwarten sind). Sie liegt aber auch nicht auf der Geraden mit der Steigung 4, die von der Isotopensignatur des Schadwassers ausgeht. Daher könnte man vermuten, dass das Schadwasser nicht im Kondensat seinen Ursprung hatte. Diese Vermutung ist jedoch zu relativieren.

Die Isotopensignatur von Kondensaten schwankt

Denn die Isotopensignatur von Kondensaten schwankt, und zwar in Abhängigkeit der Jahreszeit. Denn das Kondensat besteht aus kondensierter Luftfeuchtigkeit, deren Isotopensignatur sich jahreszeitlich ändert. Die Isotopensignaturen von Kondensat aus kondensierter Luftfeuchtigkeit bewegen sich daher in einem breitem Bereich. Sofern Kondensat in einen Bodenaufbau eindringt, bildet sich schließlich eine Mischsignatur des zu verschiedenen Jahreszeiten und Bedingungen produzierten Kondensats aus. Deshalb kennzeichnet die Signatur des beprobten Kondensats „lediglich“ eine Momentaufnahme hinsichtlich der Isotopensignatur. Zu einem anderem Zeitpunkt hätte die Isotopensignatur des Kondensats insofern ganz woanders gelegen. Typisch für die Isotopensignaturen von Kondensaten ist aber, dass diese deutlich links der GWML zu finden sind.

Auch Kondensat verdunstet

Nun kommt es nach der Einleitung von Kondensat in einen Fußbodenaufbau zu einer Verdunstung des Wassers. Dabei verändert sich die Isotopie des Schadwassers derart, dass sich die Isotopensignatur entlang einer Geraden mit der Steigung 4 nach rechts/oben „verändert“. Bei der Rückprojektion des Schadwassers (zur Beurteilung dessen ursprünglicher Isotopie) muss die Isotopenzusammensetzung des Schadwassers deshalb nach links/unten – entlang einer Gerade mit der Steigung 4 – projiziert werden.

Also stellte Kondensat die Schadensursache dar

Das dem Schaden zu Grunde liegende Wasser musste eine Ursprungsisotopie aufweisen, die deutlich links der GWML liegt. Solche Wässer kennzeichnen dabei eindeutig Kondensate. Da das Schadwasser zudem über einen längeren Zeitraum in die Bausubstanz eingedrungen ist – was aus dem Schadenbild heraus zu erkennen war – muss das Schadwasser zwingend Verdunstungsprozessen innerhalb des Fußbodenaufbaus ausgesetzt gewesen sein. Aus diesem Grund – in Verbindung mit den sonstigen Erkenntnissen – kam vorliegend nichts Anderes als Kondensat als Schadensursache in Betracht. Ein „klassischer“ Leitungswasserschaden lag demnach nicht vor.

 

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Schäden und Mängel an öffentlichen Kläranlagen

Die Sachverständigen und Gutachter von Dr. Hövelmann & Rinsche begutachten regelmäßig Schäden und Mängel an öffentlichen Kläranlagen. Hierbei geht es insbesondere um die jeweilige technische Ausrüstung (Maschinen und Anlagen) und die Verfahrenstechnik von Kläranlagen. Nachfolgend berichten wir von zwei eindrucksvollen Beispielen.

Faulschlammmischer in neuen Faultürmen einer Kläranlage führen zu Betriebsunterbrechungen

So sehen Faultürme von Kläranlagen bisweilen aus.Eine Kläranlage mit einer Ausbaugröße von 320.000 EW erhielt zwei neue Faultürme mit einem Volumen von jeweils 5.000 m³. In der nebenstehenden Abbildung ist einer dieser beiden Faultürme zu sehen. In den Faultürmen erfolgt der anaerobe Abbau von Schlämmen, die u.a. innerhalb der Kläranlage entstehen, unter Bildung von energetisch verwertbarem Biogas bzw. Klärgas.

 

Es waren spezielle Faulschlammmischer eingebaut worden

In beiden Faultürmen der Kläranlage wurden Faulschlammmischer eingebaut. Sie dienen der Optimierung der Prozesse in den Faultürmen (insbesondere dienen sie der Optimierung der Gasausbeute). Hierbei wird der Inhalt der Faulbehälter (der so genannte „Faulschlamm“) umgewälzt. Zentraler Bestandteil eines Faulschlammmischers ist hier ein jeweils senkrecht im Faulturm aufgestelltes Rohr. Oben in diesem Rohr ist eine Antriebsschnecke eingesteckt, das man „Laufrad“ nennt. Das Laufrad ist an einer Antriebswelle montiert, die wiederum mit einem Motor verbunden ist. Somit vermag sich das Laufrad zu drehen, wobei die Drehrichtung des Laufrads veränderbar ist.

 

Füllstandsschwankungen beim Umschalten der Betriebsweise

Durch die Drehung des Laufrads wird der Faulschlamm je nach Drehrichtung entweder von unten nach oben durch das Rohr gesaugt (Aufwärtsbetrieb). Oder er wird von oben nach unten durch das Rohr gedrückt (Abwärtsbetrieb). In beiden Betriebsweisen sind jeweils entsprechende Vorteile verinnerlicht (Beseitigung von Schwimmschlamm beim Abwärtsbetrieb, Beseitigung von Sedimenten beim Aufwärtsbetrieb). In der Regel erfolgt dann und wann eine Umschaltung der Betriebsweisen. Nun ist es so, dass es bei der Umschaltung zwischen den beiden Betriebsweisen strömungsbedingt zu Füllstandsschwankungen innerhalb der Faultürme kommt. Allerdings darf sich der Füllstand in einem Faulturm bei den vorliegend verwendeten Faulschlammmischern nur in einem bestimmten Fenster bewegen. Das liegt daran, dass ein bestimmtes Teil der Faulschlammmischer sich immer oberhalb des Faulschlammspiegels befinden muss. Ein anderes Teil muss immer im Faulschlamm eingetaucht sein. Daher ist der Füllstand im Faulturm wie gesagt nach oben wie nach unten hin begrenzt.

 

Not-Abschaltung nach Überschreiten von Grenzwerten bezüglich der Füllstände

Die Erfassung der Füllstände in den Faultürmen erfolgt mittels entsprechender Füllstands-Messeinrichtungen. Die Anlagensteuerung erhält dann diese Messdaten. Wird dort ein Überschreiten des Maximalfüllstands oder ein Unterschreiten des Minimalfüllstands erkannt, erfolgt eine Not-Abschaltung. Problematisch wird das, wenn der Minimalfüllstand unterschritten wurde. Denn dann ist die Zufuhr weiteren Faulschlamms in den Faulturm abzuwarten. Denn nur durch die Zufuhr weiteren Faulschlamms erhöht sich der Füllstand. Das auf diese Weise erreichte Überschreiten des Minimalfüllstandes kann dann aber so lange dauern, dass eine andere Funktion der Anlagensteuerung anspringt. Nach 15 Minuten Stillstand des Faulschlammmischers wird nämlich der Notablass des Faulturms geöffnet. Hierüber wird dann Faulschlamm in erheblicher Menge aus dem Faulturm abgelassen.

 

Am Ende war die Lösung für die Kläranlage einfach

Vorliegend war es also dazu gekommen, dass es zu mehreren länger andauernden Betriebsunterbrechungen kam, weil beim Umschalten der Betriebsweise der Faulschlammmischer entsprechende Füllstandsschwankungen entstanden sind. Diese haben dann mitunter zu Not-Abschaltungen geführt. Das Sachverständigenbüro Dr. Hövelmann & Rinsche hatte dies nach eingehender Analyse des Betriebs der Faulschlammmischer und nach Auswertung der aufgezeichneten Betriebsdaten erkannt. Die Lösung des Problems war dann einfach: die Vergrößerung der Spreizung zwischen den Minimal- und Maximalfüllständen, die etwas zu scharf eingestellt war.

 

Überschreitung von Grenzwerten im Ablauf einer Kläranlage

Beispiel für ein Nachklärbecken von KläranlagenBei einer Kläranlage mit einer Ausbaugröße von 16.000 EW, deren Nachklärbecken nebenstehend zu sehen ist, kam es an einem bestimmten Tag zu einer Überschreitung der Ablauf-Grenzwerte in Bezug auf CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf) und Phosphor. Der Ablaufwert für den CSB betrug dabei 3.600 mg/l. Da der Kläranlage aber ausschließlich häusliche Abwässer zugeleitet werden, liegen die Zulaufwerte beim CSB unter bzw. im Bereich von 1.000 mg/l. Kläranlagen, denen ein CSB von 1.000 mg/l zuläuft, kann aber im jeweiligen Ablauf niemals einen größeren CSB-Wert aufweisen. Es sei denn, dass es zu einer Ausschwemmung von Belebtschlamm aus den Kläranlagen kommt. Der Belebtschlamm verursacht nämlich ebenfalls einen CSB. Die Überschreitung des CSB-Grenzwertes musste somit durch ausgeschwemmten Belebtschlamm verursacht worden sein. Die Überschreitung des Phosphor-Grenzwertes war auf denselben Effekt zurückzuführen, da sich die bei der Phosphatfällung entstehenden Phosphatflocken teilweise an den Belebtschlamm anlagern.

 

Keine hydraulische Überlastung der Kläranlage

Am Tag, als man die Grenzwert-Überschreitungen festgestellt hatte, hatte es im Vormittag einen länger andauernden Regen gegeben. Aus diesem Grund soll die durch die Kläranlage durchlaufende Abwassermenge erhöht gewesen sein. Während der Trockenwetterabfluss ansonsten im Bereich zwischen 60 und 90 m³/h liegt, soll die Abwassermenge am Schadenstag bis zu 300 m³/h betragen haben. Ausgelegt ist die Kläranlage allerdings auf eine Menge von 400 m³/h. Daher kann eine hydraulische Überlastung der Kläranlage, die möglicherweise zu einer Ausschwemmung von Belebtschlamm hätte führen können, nicht vorgelegen haben. Die erhöhte Abwassermenge war also nicht die Ursache für die Grenzwert-Überschreitungen bzw. das Ausschwemmen von Belebtschlamm.

 

Keine Flotationseffekte

Schließlich war zu vermuten, dass die Verdichter für den Eintrag von Sauerstoff in die biologische Klärstufe der Kläranlage eine Fehlfunktion gehabt haben könnten. Dass zu viel Sauerstoff bzw. Luft eingetragen worden war mit der Folge eines Flotationseffektes, der den Belebtschlamm möglicherweise aufschwimmen ließ. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der vielleicht flotierte Belebtschlamm sich im Nachklärbecken nicht abscheiden ließ. Nach der Analyse der Betriebsdaten der Verdichter stellte sich aber heraus, dass eine solche Fehlfunktion nicht vorgelegen haben kann. Somit fielen die Verdichter als Verursacher des Schadens aus.

 

Kein Blähschlamm

Dann wurde Blähschlamm als mögliche Schadensursache untersucht. Unter „Blähschlamm“ wird dabei ein Belebtschlamm verstanden mit einem Schlammindex, der größer ist als 150 ml/g. Blähschlamm hat schlechte Absetzeigenschaften, das heißt, dass es zum Abtreiben von Schlammflocken aus den Nachklärbecken von Kläranlagen kommen kann. 150 ml/g sind allerdings nur eine ungefähre Richtgröße. Denn es kommt auch immer auf die jeweilige Kläranlage an, ob sich nämlich die Überschreitung dieser „Grenze“ negativ auswirkt oder nicht. Nach diesbezüglichen Untersuchungen wurde jedoch festgestellt, dass die Kläranlage im Allgemeinen kein Problem mit Blähschlamm hat. Zudem hatte das Abwasser am Schadentag solche chemischen Eigenschaften, dass eine Blähschlamm-Bildung nicht hat stattfinden können. Weiterhin war am Schadenstag der Schlammindex gemäßigt, er lag insbesondere unter einem Wert von 150 ml/g.

 

Die Ursache lag in der Zuführung von Tausalz

Nach weiteren Recherchen zur Schadensursache haben die Sachverständigen von Dr. Hövelmann & Rinsche dann festgestellt, dass in der Woche vor dem Schadentag Frostbedingungen vorherrschten. Weiterhin wurde ermittelt, dass während dieser Frostperiode auf den Straßen im Einzugsgebiet der Kläranlage, die in die Kläranlage entwässern, Streusalz bzw. Tausalz aufgebracht worden war. Zudem hatte es – wie bereits erwähnt – am Tag, als man die Grenzwert-Überschreitungen festgestellt hatte, im Vormittag einen länger andauernden Regen gegeben. Dieser Regen fiel zwar leicht bis mäßig aus, jedoch dauerte er relativ lange an, nämlich fast fünf Stunden. Es lag daher die Vermutung nahe, dass in dieser Zeit das in den Tagen zuvor aufgebrachte Tausalz anlässlich des Dauerregens der Kläranlage zugeführt wurde. Die Kläranlage erlitt demnach einen „Salzstoß“.

 

Tausalz beeinträchtigt die Flokkulation von Belebtschlammflocken

In einer der zentralen Literaturquellen für Funktionsstörungen auf Kläranlagen (/1/) wird hierzu in Bezug auf den Belebtschlamm von einem Flockenzerfall berichtet, der durch einen Salzstoß zu Stande kommen könne. In /2/ wird hierzu erweiternd ausgeführt, dass im Abwasser von Kläranlagen vorhandene Natriumionen einen Einfluss auf das Absetzverhalten von Belebtschlammflocken hätten. Im Allgemeinen gilt zunächst, dass die Flockulation von Belebtschlamm, also die Zusammenballung von Belebtschlammflocken zu absetzbaren Aggregaten, maßgeblich von der Gegenwart von Kationen abhängt. Hierbei gilt folgende Reihenfolge in Bezug auf die Flockulationskraft der Kationen:

 

Ca2+ > Mg2+ > K+ > Na+

 

Zweiwertige Kationen wie Calcium oder Magnesium haben eine größere Flockulationskraft als einwertige Kationen wie Kalium und Natrium. Indes ist es so, dass die Zugabe von einwertigen Kationen zu einer Verdrängung der zweiwertigen Kationen an der Belebtschlammflocke führt. Somit kommt es zu einer Verschlechterung der Flockulation mit der Folge eines Flockenzerfalls. Es wird davon berichtet, dass es insbesondere nach einem Einsatz von Streu- bzw. Tausalz und häufig von einem Tag auf den anderen zu einer deutlichen Verschlechterung der Bildung von Belebtschlammflocken in Kläranlagen kommen könne. Dies, weil es mit dem Tausalz auch zu einem Eintrag von Natrium kommt, das wie gesagt zum Flockenzerfall führen kann.

 

Salze im Abwasser verursachen Dichteströmungen

Des Weiteren wird in /1/ berichtet, dass es bei unterschiedlichen Leitfähigkeiten im Zulauf zur Nachklärung und im Nachklärbecken selbst zu Dichteströmungen kommen kann. Diese könnten dann einen Feststoffaustrag aus der Nachklärung von Kläranlagen herbeiführen. Insbesondere sei dies im Winterhalbjahr der Fall, wenn es zu Tausalzeinträgen kommen könne. Es werden also mit Flockenzerfall und Dichteströmung zwei Phänomene beschrieben, die auf dem Eintrag von Natrium bzw. Salz beruhen. Das natriumhaltige Salz Natriumchlorid ist Bestandteil von Streu- bzw. Tausalz. Daher lag es nahe zu vermuten – zumal andere potenzielle Schadensursachen ausgeschlossen werden konnten – dass es im Ablauf der hier vorliegenden Kläranlage wegen des Tausalzeinsatzes in Verbindung mit dem Dauerregen zur Überschreitung der Grenzwerte beim CSB und Phosphor gekommen war.

 

Litaraturnachweise

/1/ Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg: Funktionsstörungen auf Kläranlagen, Karlsruhe, 1997
/2/ Sölter, K.: Der Einfluss von Natriumionen auf das Absetzverhalten von Belebtschlammflocken, wwt, 10/2010

 

Hier geht zur Website für etwaige Anfragen: Sachverständigenbüro Dr. Hövelmann & Rinsche.